VW Arteon im Test (2018): ein Volkswagen für die Oberklasse?
Bislang hatte VW wenig Glück mit seinen Flaggschiffen. Sowohl der Phaeton als auch der CC wurden 2016 eingestellt. Mit dem neuen, Mitte 2017 lancierten fünftürige Coupé Arteon wollen sich die Wolfsburger endlich in der höchsten Klasse etablieren. Das als Gran Turismo – eine edle Limousine mit hohem Fahrkomfort und viel Antriebskraft – konzipierte Modell bekommt es hier u.a. mit dem A5 bzw. A7 Sportback von Audi und dem CLS von Mercedes zu tun. Wie sich der Arteon schlägt, zeigt unser Test:
VW Arteon – eine Gesamtkunstwerk?
Die hohe Kunst, ein Topmodell zu bauen, blieb VW bis dato verwehrt. Ob die Wolfsburger mit der Bezeichnung Arteon deshalb die holde Kunst anrufen (die erste Silbe „Art“ kommt vom englischen Wort Kunst)? Gut möglich. Nach dem ersten Stelldichein steht für uns jedoch fest: Die hohe Kunst des Designs beherrscht man in Wolfsburg. Die Linien des neuen Coupés rauben uns nicht den Atem, doch sie wissen zu gefallen: gediegen, gelassen, elegant sieht er aus, der 4,86 Meter lange Arteon. Optisch sticht die raffinierte Art heraus, in welcher der Kühlergrill und die Frontscheinwerfer zu verschmelzen scheinen – ein Muster, das für zukünftige VW-Modelle wegweisend sein wird. Gelegentliche Wegweiser wären auch im Innenraum hilfreich, denn dieser offeriert dank eines 2,84 Meter weiten Radstandes fürstliche Platzverhältnisse. Viele große Fürsten aber waren klein von Wuchs – eine Eigenschaft, die sich im Fond von Vorteil erweisen kann. Wer an die 3,990 Meter groß ist, muss hinten sein Haupt neigen, um nicht mit dem Fahrzeughimmel ins Gehege zu kommen. Sonst stoßen wir im Innenraum auf keine Hindernisse. Die Bedienung ist VW-typisch selbsterklärend.
Das Interieur selbst ist feinsäuberlich verarbeitet und erstklassig eingerichtet: Von den „ergoComfort“-Sitzen bis zum Multimediaangebot ist alles vorhanden, was das Herz begehrt; vielfach allerdings erst gegen Aufpreis. Insgesamt können wir uns dennoch des Eindrucks nicht erwehren, als käme die Einrichtung von der Stange – einer erlesenen Stange zwar: aber eben keiner Maßschneiderei. Vieles kennen wir aus anderen VW-Modellen. Diese Wiederverwertbarkeit ist zwar eines der Erfolgsrezepte des Modularen Querbaukasten, auf dem der Arteon aufbaut. Ob das Rezept auch in der Oberklasse wohl bekommt, bleibt abzuwarten. Am mangelnden Stauraum wird das fünftürige Coupé jedenfalls nicht scheitern. 475 Liter fasst der Arteon mit Kofferraumabdeckung, 563 ohne. Legt man die Rücksitzlehnen um, passen bis zu 1.557 Liter ins elegante Heck; viel mehr als etwa in den neuen Kia Stinger (406 bis 1.114 Liter). Ein Verwandlungskünstler ist der VW indes keiner. Die Lehnen lassen sich asymmetrisch umklappen; in der Längsrichtung verschieben kann man die Rückbank nicht. Beim geplanten Arteon Kombi dürfte diese Option verbaut sein.
Motoren: Diesel als Saubermännern & fehlende Alternativen
Mit viel Platz und Komfort kann der Arteon aufwarten. Zu einer Edelkarosse gehört aber auch ein stattlicher Antriebe. Kraftvoll, souverän und kultiviert: das sind die gesuchten Kardinaltugenden. Die konventionellen VW-Motoren der Otto- und Dieselfamilie verfügen über diese Eigenschaften. Trotzdem fehlt uns im Arteon-Antriebs-Kollier ein funkelnder Edelstein. Über einen Plug-in-Hybrid, wie er in der Studie „Sport Coupé Concept GTE“ verbaut war, oder einen Elektromotor denkt VW nach. Ob und wann dem Nachdenkprozess ein Alternativantrieb entspringt, weiß niemand. Damit ist klar: Im Test müssen wir uns innerhalb der Konvention bewegen. Wir beginnen mit dem bewegenden Sorgenkind, dem Selbstzünder. Im Arteon verbauen die Wolfsburger durch die Bank Reihenvierzylinder mit Common-Rail-Einspritzung und einer mehrstufigen Abgasnachbehandlung. Zum Dieselpartikelfilter gesellt sich ab Werk ein selektiver Stickoxid-Katalysator (SCR), dem eine wässrige Harnstofflösung bei der Stickstoffreduktion unter die Arme greift. Die Selbstzünder unterscheiden sich in der Leistung, der Aufladung und der Antriebsart – als Getriebe fungiert stets das bekannte 7-Gang-DSG.
Per einfachem Turbo aufgeladen werden der 2.0 TDI SCR mit 150 PS und 340 Nm (Kraftstoffverbrauch: 4,5 Liter auf 100 km, 116 g/km CO2 und Energieeffizienzklasse A); sowie der 2.0 TDI SCR mit 190 PS und 400 Nm, der optional mit Allradantrieb verknüpft werden kann (Kraftstoffverbrauch Front-/Allrad: 4,7 Liter auf 100 km, 122/134 g/km CO2 und Energieeffizienzklasse A). Sie beschleunigen den Arteon in weniger als 9 Sekunden von 0 auf 100 und über 220 km/h. Die angegeben Verbrauchswerte sind angesichts dessen ansehnlich. Ob sich diese Einschätzung in der Praxis bestätigt, konnten wir mit dem stärksten Diesel, dem 2.0 TDI SCR 4Motion, erproben (Kraftstoffverbrauch: 5,9 Liter auf 100 km, 152 g/km CO2 und Energieeffizienzklasse B). Ihm verhilft ein Biturbo zu 240 PS bzw. 500 Nm – und zu einem Antriebspfund wie es einem stattlichen Coupé geziemt. Der Zweiliterdiesel hat mit den 3,99 Tonnen des Arteon leichtes Spiel: In sechseinhalb Sekunden beschleunigt er sie auf 100, in der Spitze auf 245 km/h. Zudem spricht er willig an und zieht kräftig durch; vom ein oder anderen sporadischen Ruckler des DSG abgesehen. Die Contenance verliert der Selbstzünder nie – auch nicht bei den Abgasen.
Arteon mit Assistenz-Armada & Komfortoffensive
Überraschenderweise erweist sich der Topdiesel in dieser Disziplin eher als Vorbild denn als Stiefkind. Zugegeben: Er ist kein Abstinenzler, aber er kommt mit einem Testverbrauch von sechseinhalb Litern überraschend nah an den NEFZ-Verbrauch; und die vieldiskutierten Stickoxid-Emissionen sind so gering, dass Stadtfahrverbote für ihn kein Thema sind. Bemerkenswerterweise sind die Arteon-Selbstzünder in dieser Hinsicht den Ottomotoren einen Schritt voraus. Noch dürfen Benziner rund die zehnfache Partikelmenge ausstoßen als Diesel. Ab 1. September 2018 gilt für Neuzulassungen jedoch eine strengere Norm (Euro 6c), die diese Werte an das Diesel-Niveau angleicht. Keiner der drei Arteon-Turbobenziner wird diese Abgashürde ohne Otto-Partikelfilter schaffen. Kurzum: Spätestens ab 1. September muss jeder neu angemeldete Arteon-Ottomotor mit einem Filter ausgerüstet sein. Noch lassen sie aber auf sich warten – ein Aspekt, den man im Hinterkopf behalten sollte.
Ansonsten können die Benziner im Test überzeugen. Wir sind das Top-Aggregat 2.0 TSI 4Motion mit 280 PS und 350 Nm gefahren (Kraftstoffverbrauch: 7,3 Liter auf 100 km, 164 g/km CO2 und Energieeffizienzklasse C). Es nimmt sich zwar seine Zeit, bis es aus dem Turboloch kommt. Dann schiebt der Zweiliter-Motor aber mächtig an: in 5,6 Sekunden von 0 auf 100 zum Beispiel. Vorbildhaft und seinem Rang als Flaggschiff vollends gerecht wird der Arteon wieder in den Kategorien Komfort, Sicherheit und Assistenzsysteme. Bei den von uns getesteten Topmotoren sind serienmäßig adaptive Dämpfer verbaut, die insgesamt 15 verschiedene Dämpfungsgrade bieten: von hart wie ein Brett bis weich wie ein Frottee-Badetuch. Die sehr guten Bremsen – Bremsweg aus Tempo 100 rund 35 Meter – sind ebenfalls ein Ruhekissen. Und an Assistenzsystemen installiert VW alles, was der Modulare Querbaukasten hergibt. Ab Werk sind das ein Abstands- und Kollisionswarner, ein vorausschauendes City-Notbremssystem, ein Tempomat, etc. Optional verfügbar sind u.a. der autonom fahrende Stauassistent, die Verkehrszeichenerkennung und ein Querverkehrswarner fürs Rückwärtsfahren.
Technische Daten des VW Arteon: | ||
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PS-Anzahl: | min. 150 PS | max. 280 PS |
kW-Anzahl: | min. 110 kW | max. 206 kW |
Antriebsart: | Frontantrieb oder 4×4-Allradantrieb | |
Getriebeart: | Manuell oder DSG Automatik | |
Kraftstoffart: | Benzin oder Diesel | |
Verbrauch (kombiniert): | min. 4,2 l/100km | max 7,3 l/100km |
CO2-Emission: | min. 110 g/km | max. 164 g/km |
Effizienzklasse: | min. A+ | max. C |
Abgasnorm: | Euro 6 (grüne Feinstaub-Plakette) | |
Listenpreis: | ab 35.325 Euro | |
Stand der Daten: | 16.03.2018 |
Konkurrenzmodelle
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Fazit zum VW Arteon Test
MeinAuto.de Redakteur: MeinAuto.de Redaktion |
Der VW Arteon bringt alle Anlagen mit, die ein Modell mit Oberklasseambitionen haben muss – vom eleganten Design über das exzellente Platzangebot bis zur reich bestückten Assistenz-Armada. Die Auszeichnung mit dem „Goldenen Lenkrad 2017“ ist ein Beleg dafür. Unter der Haube gibt es allerdings noch Verbesserungspotential. Bei MeinAuto.de flaggt die neue Speerspitze der VW-Flotte mit 22.351 Euro aus, knapp 39% bzw. über 13.300 Euro günstiger als gelistet.
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