Ford Focus Electric Test: kommt der Strom endlich in Fluss?
Sieh da! ein Elektroauto. Es gibt sie also doch – und zwar nicht nur als Schaustücke, sondern auch als Serienfahrzeuge. Den Anfang machte im Juli der Ford Focus Electric, der VW Golf wird als E-Up! bald folgen. Ob das der große Durchbruch für die E-Mobilität ist, muss sich zeigen. Den Kölner mit US-amerikanischen Genen haben wir jedenfalls schon einmal getestet.
Innen kaum verändert
Voller Vorfreude nehmen wir Platz im Ford Focus Electric, im ersten bei uns in nennenswerter Zahl erhältlichen kompakten Elektroauto. Hinter dem Lenkrad erwarten uns zunächst aber keine Überraschungen: die Mittelkonsole ist wie gehörig überladen und die flache A-Säule trübt das freie Platzempfinden ein wenig. Der Elektromotor samt der Batterien nimmt in der Fahrgastzelle aber keinen Platz weg – das Platzangebot ist vorne wie im Fond für ein Kompaktklasseauto weiterhin gut.
Außerdem empfangen uns die fest gepolsterten Sitze mit Komfort, die Werkstoffe sind gut verarbeitet und das Navi ist – wie seit eh und je – ein rechter Quälgeist. Also alles wie gehabt?
Nun – nicht ganz! Ein zusätzliches Display unterrichtet uns von der noch verfügbaren Reichweite und gibt Tipps, wie wir am besten mit dem Strom haushalten. In den Gefilden hinter der Rückbank müssen wir uns zudem mit 237 anstelle von 363 Litern Gepäckraumvolumen zufrieden geben – ein Verlust, der den Lithium-Ionen-Akku geschuldet ist.
Lange ebenbürtiger E-Antrieb
Vom Inneren des Elektro-Focus haben wir damit fürs erste genug gesehen, jetzt wollen wir den kompakten Stromflitzer endlich fahren. Dazu drücken wir auf den Startknopf, stellen den Schalthebel auf D – und drücken das Pedal tief durch.
Der 107 kW starke Elektromotor reagiert auf diese Anregung mit seinen 250 Newtonmeter ausgesprochen druckvoll und – für alteingesessene Fans des Verbrennungsmotors – unvorstellbar direkt. Mit der Stoppuhr lässt sich das Gefühl zwar kaum treffend beziffern, versuchen wollen wir es trotzdem: der Elektro-Focus beschleunigt in 4,3 Sekunden auf 50 und in 10,4 Sekunden auf 100 km/h, womit er im Bereich der vielgelobten EcoBoost-Focus-Modelle liegt. Bei 137 km/h ist dann aber schon Schluss mit der Beschleunigung.
Beschränkte Reichweite und zwiespältige Ökobilanz
Und wie sieht es mit der Reichweite aus? Wie weit man mit dem Ford Focus Electric kommt, bestimmen Verbrauch und Kapazität des Akkus. Die beiden 300 Kilogramm schweren Lithium-Ionen-Batterieblöcke fassen 23 kWh, der Verbrauch lag in unserem Test im Schnitt bei gut 15 kWh auf 100 Kilometer. Daraus folgt eine ungefähre Reichweite von 160 Kilometern – 30 Kilometer davor warnt der Focus vor dem nahenden Ende.
Nach rund 160 Kilometern – oder nach rund 5 Stunden Fahrzeit – müssen die Akkus also wieder aufgeladen werden. Wer das über die herkömmliche Steckdose im eigenen Haus machen will, der muss für eine volle Ladung zwischen 8 und 11 Stunden einplanen; über eine Schnellladestation mit 32-Ampère-Stecker geht es in rund 4 Stunden. Bei den derzeitigen Haushaltsstromkosten und den rund 2 kWh Stunden Verlust, die bei Aufladen auftreten, kommt man für einmal “Volltanken” so auf etwa 7 Euro respektive 4,50 Euro pro 100 Kilometer. Der Focus Electric ist in finanzieller Hinsicht also mehr Athener als Spartaner.
Und wie sieht das bei der Ökobilanz aus? Beim derzeitigen Strommix in Deutschland – rund ein Viertel des Stroms wird regenerativ erzeugt – bläst der Electric pro Kilometer 89 Gramm Kohlendioxid in die Luft. Für ein Fahrzeug, das besonders klimafreundlich sein will, ist das kein berauschendes Ergebnis. Nimmt man allerdings das Angebot von Ford Deutschland war, sich entweder von der Naturstrom oder der RheinEnergie AG mit 100% erneuerbar, also CO2-neutral erzeugtem Strom beliefern zu lassen, dann hebt sich der Ford Focus Electric von den qualmenden Diesel- und Benzinbrüdern meilenweit ab.
Quirliges E-Mobil
Bleibt am Ende noch die Frage, wie sich das höhere Gewicht – mit knapp 1.600 kg ist der Electric in Etwa 100 Kilogramm schwerer als ein Diesel-Focus – und die unterschiedliche Gewichtsverteilung auf das Handling auswirken. Kaum, durften wir auf unseren ausgedehnten Testrunden feststellen: Selbst bei schnellen Lastwechseln bleibt der Focus Electric stets gelassen und neutral, lediglich beim Beschleunigen aus engen Kurven haben wir etwas Traktion vermisst.
Apropos vermissen. Vermissen mag man im neuen Ford Focus Electric die übliche Reichweite, die Spitzengeschwindigkeit und einen Teil des Kofferraumvolumens. Darüber hinaus ist das kompakte Elektromobil von Ford aber ein vollwertiges Auto, das richtig genutzt mit ökologisch ruhigem Gewissen gefahren werden darf. Mit einem Listenpreis von 39.990 Euro lässt sich Ford das aber auch fürstlich bezahlen. (nau)